Kantonsratssitzung vom 28. Oktober 2024
Das wichtigste Geschäft für die SP-Fraktion war die Behandlung des Postulates zum Archiv der Kantonalbank Appenzell Ausserrhoden. Ebenso war einmal mehr die individuelle Prämienverbilligung IPV ein Thema.
Das Postulat der SP-Fraktion hatte unter anderem das Ziel, die Besitzverhältnisse des Archivs der ehemaligen ARKB zu klären, welche mit dem Verkauf der Bank veräussert wurde und nun im Archiv der UBS lagerten. Auch wenn die Rückführung der Akten ins Staatsarchiv AR erreicht werden konnte, wurde dieser Punkt nicht geklärt. Über die Frage der Einsicht entscheidet nach wie vor die UBS. Deshalb lehnte die SP-Fraktion eine Abschreibung des Postulates ab. Die Sprecherin Judith Egger konnte dabei auch noch einige andere Mitglieder des Kantonsrates überzeugen. Schlussendlich hat es nicht gereicht und das Postulat wurde mit 25 Nein zu 34 Ja bei 5 Enthaltungen abgeschrieben. Die Regierung muss also keine weiteren Abklärungen treffen. Aber wie auch die Appenzellerzeitung in ihrer Berichterstattung schreibt (29.10.24): «Das Drama «Niedergang der Kantonalbank», es ist um Kapitel reicher, aber noch nicht zu Ende erzählt.»
Schliesslich geht es um sehr viel Geld, das dem Kanton entgeht. Judith Egger legte im Rat die Fakten auf den Tisch:
«Es kann davon ausgegangen werden, dass die Ausserrhoder Kantonalbank dem Kanton jährlich wiederkehrend gegen 10 Mio Gewinn ausgeschüttet hätte. Aufgerechnet bis heute wären das 280 Mio zugunsten unseres Kantons, zugunsten unserer Bevölkerung.
Geld, das hätte investiert werden können
- in die Energiewende,
- in die in die Jahre gekommene Spitalinfrastruktur
- oder in eine Steuerentlastung für die gesamte Bevölkerung
Stattdessen schnüren wir ein tiefgreifendes Sparpaket, das einen Leistungsabbau bedeutet.
280 Mio Franken ist die Schadenssumme des Niedergangs der Kantonalbank, verursacht durch ein Totalversagen nicht nur der Bank, sondern auch der Regierung als Aufsichtsorgan und des Kantonsrates als Oberaufsicht über die Kantonalbank. Dies trotz scharfer und mehrfacher Warnung der damaligen Bankenaufsicht, der heutigen FINMA. In Regierungs- und Kantonsrat verfügte zu jener Zeit die FDP über die absolute Mehrheit.“
Unten angehängt ist das vollständige Eintretensvotum von Judith Egger.
Heiss diskutiert wurde auch die Motion zur individuellen Prämienverbilligung der Kommission Gesundheit und Soziales. Die Kommission forderte unter anderem, dass ein Drittel der Ausserrhoder Bevölkerung IPV-berechtigt sein soll. Obwohl die SP-Fraktion sehr grosse Sympathien dafür hat, die IPV auszubauen, findet sie eine fixe Zahl an Bezugsberechtigten nicht die richtige Lösung. Sie ist nach wie vor überzeugt, dass die Berechtigung an das Einkommen gekoppelt sein muss, so wie dies die eigene kantonale Initiative vorsieht. Deshalb war die SP-Fraktion froh, dass die KGS die Motion in ein Postulat umgewandelt hat. Nun ist die Regierung aufgefordert einen Bericht zu liefern, in dem die verschiedenen Überlegungen dargelegt werden müssen. Dies wird im Rahmen der Revision des EG zum KVG geschehen, welches in Bearbeitung ist.
Die vollständige Traktandenliste und alle Unterlagen können hier aufgerufen werden:
https://ar.ch/kantonsrat/sitzungen/traktanden/#session=a5d4299399fc43f88460a11caacaf541
Traktandum 4: Postulat der SP-Fraktion, Überführung des Kantonalbankarchives in das Staatsarchiv von Appenzell Ausserrhoden, Schlussbericht des Regierungsrates
Eintretensvotum von Kantonsrätin Judith Egger, Speicher
Es ist erfreulich, dass das Archiv der 1996 an die Schweizerische Bankgesellschaft verkauften Ausserrhoder Kantonalbank seit dem 26. Juni 2023 als Privatarchiv im Ausserrhoder Staatsarchiv lagert.
Erfreulich ist auch, dass die historischen Akten bis 1925 mit der Überführung ins Staatsarchiv Eigentum von Appenzell Ausserhoden geworden sind und der historische Bestand alle zwei Jahre ergänzt werden soll.
Der Rest der Geschichte ist bitter:
- Seit dem Verkauf der ARKB im Jahr 1996 ist der Kanton in Sachen Kantonalbankarchiv Bittsteller bei der UBS bzw. Schweizerischen Bankgesellschaft. Die Macht der UBS hat Ausserrhoden in den vergangenen zehn Jahren noch einmal deutlich zu spüren bekommen. Die lange Dauer der Verhandlungen um das Archiv lässt sich denn auch nur teilweise mit der Problematik der nachrichtenlosen Vermögen erklären.
- Die UBS geht zweifellos als Siegerin aus den Verhandlungen hervor. Sie hat ihren Rechtsstandpunkt vollumfänglich durchgesetzt. Damit bleibt sie Eigentümerin des ARKB-Archivs ab 1925 und entscheidet somit weiterhin über das verfassungsmässige Einsichtsrecht Dritter in staatliche Akten.
- Bitter ist auch, dass die Regierung von Appenzell Ausserrhoden nach der Vereinbarung von 2003 das Eigentum der UBS an den ARKB-Akten ein zweites Mal anerkannt hat.
- Zudem akzeptiert die Regierung im Outsourcing-Vertrag ein einseitiges Kündigungsrecht der UBS. Eine Kündigung hätte eine Rückführung des Archivbestandes zur Folge. Welche Gründe zu einer Kündigung führen würden, wissen wir nicht. Mag sein, dass das im Outsourcing-Vertrag steht.
Der Outsourcing-Vertrag, heisst es, unterstehe dem Geschäftsgeheimnis der UBS. Einige Punkte dieses Vertrags erfährt die Öffentlichkeit allerdings dennoch aus dem Bericht der Regierung. Da stellt sich die Frage: Was wird im Outsourcing-Vertrag ausserdem geregelt, was das Geschäftsgeheimnis rechtfertigen würde? Gemäss Übernahmevereinbarung regelt der Outsourcing-Vertrag nämlich „die bankgesetzlichen Anforderungen für den Unterhalt des ARKB-Archivs durch den Kanton (…).“
Trotz allem: Die SP-Fraktion dankt allen Personen, die verhandelt haben und mit Ausdauer an dieser undankbaren Aufgabe drangeblieben sind. Undankbar darum, weil die UBS in den Verhandlungen eindeutig die stärkere Position hatte. Zum einen hatte die UBS die Akten als Pfand in ihrem Besitz, um nicht zu sagen in ihrer Gewalt. Zum anderen war da die Vereinbarung von 2003. Darin anerkannte die damals rein bürgerliche Regierung das Eigentum der UBS am Bankarchiv. Das war fatal. Vor diesem Hintergrund war auf dem Verhandlungsweg von vornherein kein grundsätzlicher Durchbruch zu erwarten.
Ebenso fatal war, dass das Kantonalbankarchiv überhaupt in den Besitz der Schweizerischen Bankgesellschaft, heute UBS, gelangte, noch bevor die Eigentumsfrage juristisch entschieden war. Das dies trotzdem geschah, ist umso fragwürdiger, als dass der Staatsarchivar bei der Privatisierung der Kantonalbank die gesetzlich vorgeschriebene Ablieferung der Akten an das Staatsarchiv gegenüber dem zuständigen Bankorgan rechtzeitig geltend gemacht hatte.
Die SP-Fraktion ist nach wie vor überzeugt, dass es sich beim Kantonalbankarchiv grundsätzlich um unveräusserbare Staatsarchivalien handelt. Abgesehen davon war die Kantonalbank rechtlich gar nie Eigentümerin ihrer Archivbestände, weil sie darüber keine Verfügungsmacht hatte. Über die Vernichtung oder Aufbewahrung der Archivalien der Kantonalbank entschied das Staatsarchiv. Dies dürfte sinngemäss auch für die Veräusserung gelten. Da es für die Veräusserung weder eine gesetzliche Grundlage gab, noch die Zustimmung des Staatsarchivs vorlag, ist die Annahme berechtigt, dass nicht nur die Veräusserung nichtig ist, sondern auch die nachfolgenden Vereinbarungen.
Was der Kantonsrat heute entscheiden muss, ist, ob das Postulat abgeschrieben werden soll, d.h. ob die gestellten Fragen beantwortet sind.
Die SP-Fraktion ist einstimmig der Ansicht, dass das nur teilweise der Fall ist. Dass sich die Akten nun im Staatsarchiv befinden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass „die rechtliche Situation in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse am Archiv der ARKB bzw. die Rechtmässigkeit der Veräusserung“ (Frage 3) weder explizit „geprüft“ noch „beurteilt“wurden. Die SP-Fraktion hätte dazu ein Rechtsgutachten erwartet, mindestens aber eine klare Darlegung des Rechtsstandpunktes der Regierung.
Die Eigentumsfrage ist für die SP-Fraktion die zentrale Frage, weil mit dem Eigentum das verfassungsmässige Einsichtsrecht verknüpft ist.
Auch bald dreissig Jahre nach dem Ende der Ausserrhoder Kantonalbank bleiben Fragen offen. Von der Einsicht in die fraglichen Akten erwartet die SP-Fraktion durchaus neue Erkenntnisse, insbesondere über die letzten zehn Geschäftsjahre der Bank oder die Verkaufsphase von 1993-1996.
Die SP-Fraktion empfiehlt einstimmig, das Postulat nicht abzuschreiben und den Regierungsrat zu ersuchen, die in Frage 3 geforderte Prüfung und Beurteilung der „rechtlichen Situation in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse am Archiv der ARKB bzw. die Rechtmässigkeit der Veräusserung“ nachzuholen.