Offener Brief an Ständeratspräsident Andrea Caroni
Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Caroni
Dass das liberale Röpke Institut in Kloten den diesjährigen Preis für Zivilgesellschaft dem argentinischen Staatspräsidenten Javier Milei verliehen hat, ist an sich schon fragwürdig. Dass aber Sie, Herr Ständeratspräsident, an der Preisverleihung Seite an Seite mit dem rechtslibertären Staatsoberhaupt spassig für ein Selfie posieren und dieses öffentlich verbreiten, geht entschieden zu weit.
Sie bekennen sich damit stillschweigend zu Mileis libertär-autoritärem Verständnis von Freiheit. Und Sie verharmlosen damit auch die systematische Vernichtung der über Jahrzehnte erkämpften Errungenschaften der Frauenbewegung in Argentinien. Machismus und Grausamkeit gegen Frauen haben durch Milei Aufwind bekommen. In der Folge häufen sich Drohungen gegen Aktivistinnen, und die ohnehin schon dramatisch hohe Zahl der Femizide in Argentinien nimmt zu. So wurde im vergangenen Dezember, dem Monat, als Sie zum Ständeratspräsidenten gewählt wurden, alle 22 Stunden eine Frau aus geschlechtsspezifischen Gründen ermordet.
Mileis Liste der Massnahmen gegen Frauenanliegen ist lang. Als eine seiner ersten Amtshandlungen schaffte er das Ministerium für Frauen, Gender und Vielfalt ab. Unter anderem wurden dort geschlechtsspezifische Gewalttaten dokumentiert und an Gesetzen zum Schutz von Frauen mitgearbeitet. Gleichzeitig kürzte die Regierung Milei Gelder an soziale Einrichtungen, die Menschen bei geschlechtsspezifischer Gewalt helfen.
Zum internationalen Frauentag am 8. März 2024 liess Milei im Regierungspalast den „Salon der Frauen“ in «Salon der Nationalhelden“ umbenennen. Die Portraits der bedeutendsten Frauen Argentiniens wurden kurzerhand durch Portraits von zwanzig männlichen Nationalhelden ersetzt.
Inzwischen hat Milei die Gesetze ins Visier genommen, die die Rechte und den Schutz von Frauen und Minderheiten gewährleisten. So soll etwa der Begriff «Frauenmord» aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.
Und schliesslich stimmte Argentinien als einziges Land gegen eine UNO-Resolution gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Dabei war Argentinien vor Milei eines der gesellschaftlich fortschrittlichsten Länder Südamerikas.
Vor diesem Hintergrund fragen wir uns empört: «Wie können Sie nur!»
Freundliche Grüsse
Judith Egger, Annegret Wigger, Sharon Satz, Sabrina Obertüfer, Isabelle Ledergerber, Sonja Tobler, Martina Jucker, Elisa Hochreutener, Camille Kappeler, Bea Weiler, Silvia Taisch, Marisa Dudle